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einger%u00e4umt zu haben. Ich sp%u00fcrte, dass ich meine Familie schon eine Weile wie durch eine schlecht geputzte Brille wahrnahm. Um wieder klar zu sehen, br%u00e4uchte ich eine Pause. Digital Detox, vier Wochen lang. Aktuell liegt der Anteil der aktiven Social-Media-Nutzer hierzulande bei rund 78 Prozent, das sind mehr als drei Viertel aller Deutschen. An die Nutzung von Instagram, Facebook und Co. gew%u00f6hnt, teilen Menschen, wenn sie Eltern werden, oft weiterhin bereitwillig Fotos und Videos aus ihrem Leben. Nur sind es statt Schnappsch%u00fcssen von Wochenendtrips jetzt eben Selfies mit ihren Kindern, unter denen sich m%u00f6glichst viele Herzchen und Likes versammeln sollen. Manche erschlie%u00dfen sich sogar eine Einnahmequelle, wenn sie den Nachwuchs zu Werbezwecken im neusten Modell einer hippen Kinderwagenmarke in der viralen Welt pr%u00e4sentieren. Als die Professorin Helen Knauf, die an der Hochschule Bielefeld Bildung und Sozialisation im Kindesalter lehrt, und die P%u00e4dagogin und Autorin Susanne Mierau knapp 240 Instagram-Fotos von M%u00fcttern auswerteten, stellten sie hohe %u00dcbereinstimmungen in der Bildgestaltung fest. %u201eUm Gemeinschaft herzustellen und sich auf Instagram zugeh%u00f6rig zu f%u00fchlen, w%u00e4hlen fast alle M%u00fctter eine traditionelle Form der Selbstdarstellung%u201c, schreibt Knauf auf ihrem Blog, der sich Themen der fr%u00fchkindlichen Bildung widmet. Inszeniert werde die gute Mutter, die mit Kind auf dem Arm sanft in die Kamera l%u00e4chelt. In ihrer Komposition erinnerten die Fotos an Madonnenbilder, die in der Malerei seit dem fr%u00fchen Mittelalter in zahlreichen Varianten geschaffen wurden.Kein Wunder also, dass mich irgendwann das Gef%u00fchl %u00fcberkam, den Elternjob nicht gut genug zu erledigen. Erste Zweifel kamen auf, als die Hebamme einige Tage nach der Geburt meinte, meine Tochter sei zu d%u00fcnn. Von da an ging es mir wie den meisten Frauen, wenn sie zum ersten Mal Mama werden: Ich wollte alles richtig machen und hatte dementsprechend viele Fragen. Doch anstatt mir Antworten aus kompetenten Quellen zu beschaffen, surfte ich ziellos durch die sozialen Medien und geriet mit anderen Eltern in einen regelrechten Rausch der Vergleiche: Habt ihr schon mit der Beikost begonnen, ist der erste Zahn schon da, und %u2013 besonders wichtig %u2013 wann erfolgt der erste selbstst%u00e4ndige Schritt? Ich wei%u00df noch, wie verunsichert ich war, als eine andere Mutter aus der Kita zu mir sagte: %u201eWas, deine Tochter ist schon 19 Monate alt und spricht noch nicht? Unsere kann schon Zweiworts%u00e4tze! Da w%u00fcrde ich echt mal beim Logop%u00e4den vorstellig werden.%u201cIch habe ihr das nicht nachgetragen. Vergleiche sind menschlich, und es sei der Mutter des kleinen Sprachgenies von Herzen geg%u00f6nnt, wenn sie sich f%u00fcr den Kompetenzvorsprung ihres Kindes insgeheim auf die Schulter geklopft hat. Und was die sozialen Medien betrifft: Nat%u00fcrlich gibt es auch sinnvolle Accounts, die Nischenthemen beleuchten und dem gesellschaftlichen Diskurs guttun. Dennoch habe ich mir w%u00e4hrend meiner vierw%u00f6chigen Instagram-Pause einen kritischeren Blick angeeignet: Muss meine Tochter wirklich ins Ballett, nur weil Louise, Paula und Matilda WANN HATTE ICH VERLERNT, AUF MEIN BAUCHGEF%u00dcHL ZU H%u00d6REN?In der SocialMediaStr%u00f6mung treibenSich in der Illusion der digitalen Welt verlierenNICHTPERFEKT!14NICHT PERFEKT